Mein dreiwöchiges Praktikum im Montessorihaus Reisnerstraße in Wien
Ankunft und Hospitation
Mein erster Praktikumstag begann mit einer warmherzigen Begrüßung durch den Geschäftsführer und der pädagogischen Leitung, die mich durch meine Zeit im Montessorihaus begleiteten und mir bei organisationalen, pädagogischen und sonstigen Anliegen mit wertvollen Anregungen zur Seite standen.
Für meinen ersten Praktikumstag im Haus war eine Hospitation von 08:30 – 12:30 Uhr vorgesehen. Die Erfahrung des Hospitierens sowie auch die Arbeitsweise nach Maria-Montessori war für mich bislang unerforschtes Territorium. Ich wurde gebeten, mich frei im Haus zu bewegen und die Eindrücke der Materialien und der Arbeitsweise der Pädagoginnen und Pädagogen auf mich wirken zu lassen. Hier nahm ich immer auf einem „Besucherstuhl“ platz, der genau für diese Zwecke verwendet wird. Ich durfte mir hierbei die Zeit, die ich in den verschiedenen Räumen verbrachte, selbst einteilen und konnte so meine ersten Eindrücke mit der Arbeit des Materials aber auch von Alltagssituationen zwischen Kind und Kind sowie zwischen Pädagogin/Pädagogen und Kind machen. Diese Erfahrung reflektierte ich direkt im Anschluss als äußerst positiv. Das Erleben des Konzepts, der Lernumgebung und der Kinder sowie des Fachpersonals waren, um es mit einem Wort zu beschreiben, sehr überwältigend. Ich war sofort angetan von dem respektvollen und wertschätzenden Umgang, den ich dort wahrgenommen habe, der hervorragenden Organisation und Struktur des Tagesablaufs und der hochwertigen Lerngegenstände. Die Gelegenheit zu haben, sich Methoden des Fachpersonals und die darauffolgenden Reaktionen und Handlungen der Kinder zu begutachten, empfand ich als sehr wertvoll und als etwas, von dem man bei anschließender Reflexion unglaublich für seine eigene sogenannte „Erzieherpersönlichkeit“ profitieren kann. Da mir außerdem jegliches Vorwissen zum Konzept und dem Montessori-Material gefehlt hat, war dies ein toller Einstieg in die Zeit, die ich dort verbringen durfte.
Abgesehen von meinem persönlichen Erlebnis in dieser Einrichtung, möchte ich nochmal auf die Bedeutsamkeit einer Hospitation aufmerksam machen. Nicht nur man selbst profitiert unheimlich davon, sondern auch die dort anwesenden Kinder. Als Praktikantin betrete ich als fremde Person die Welt der Kinder und somit eine ihrer persönlichsten Umgebungen mit den ihnen vertrauten Pädagoginnen/Pädagogen. Es ist meiner Meinung nach essenziell, sich zuvor ein Bild ihrer Struktur und den Umgangsweisen zu machen und sie erst im Anschluss eines solchen Tages kennenzulernen.
Kennenlernen des Konzepts - Philosophie
Die Grundlage des Konzepts beruht auf der Arbeit nach Maria Montessori. Die Kinder hier im Montessori-Haus werden als vollwertige Wesen und als Lernende angesehen und genau so wird auch mit ihnen kommuniziert; achtsam, wertschätzend und sehr sachlich.
Auch ich habe mir schnell diese Art zu kommunizieren angeeignet und bemerkt, was diese für positive Auswirkungen auf das Kind hat. Die Lernenden zeigen sich somit auch in dieser Rolle nämlich selbstsicher, zuversichtlich und mutig.
Ich kam zu dem Entschluss, dass Kinder nicht nur auch komplexere Satzstrukturen und Redewendungen verstehen, und dass unsere Sätze nicht immer rein kindgerecht formuliert werden müssen, sondern auch, dass diese gewählte Kommunikation ihren eigenen Sprachstil durchaus positiv beeinflusst.
Im Kinderhaus wird zudem sehr viel Wert auf Eigeninitiative und Selbstständigkeit gelegt. Durch das offene Konzept, wird von den Kindern partizipativ erwartet, sich für einen Raum und eine Pädagogin/einen Pädagogen zu entscheiden. Sie können hierbei wählen zwischen dem sogenannten großen Raum, dem Buchstabenraum, dem Zahlenraum, und einem Atelier.
Die Entscheidung, wo sich aufgehalten wird, treffen die Kinder nach ihrer Ankunft im Haus und dokumentiert wird diese mit dem Vergeben einer Eintrittskarte, auf der ein Bild des Raumes abgebildet ist. Dies wird auch schriftlich festgehalten, um einen Überblick zu bewahren, auch darüber, ob sich die Kinder vielseitig im Haus bewegen. So werden sie zum Beispiel motiviert, auch einmal in einem anderen Raum zu arbeiten, falls dies länger nicht der Fall war.
Dort setzen sie im Anschluss größtenteils selbstständig ihre Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt fort. Sie gehen auf Themen zu, die sie zurzeit interessieren, wagen Neues, beobachten die Arbeit eines anderen oder greifen auf altbekanntes zurück. Jedes Kind ist frei in seinen Entscheidungen und wird in diesen nur so viel wie notwendig unterstützt.
Eine Jause (Brotzeit) bestehend aus Butterbroten, frischem Obst und Gemüse sowie Wasser und Tee steht den Kindern am Vormittag in der hauseigenen Küche zur Verfügung. So entscheiden Sie je nach Hungergefühl, wann sie diese zu sich nehmen.
Ein Morgenkreis wird den Kindern zweimal wöchentlich angeboten. Zu dieser Zeit kommen dann Kinder derselben Altersgruppe zusammen und es wird erzählt, gesungen und musiziert. Im Anschluss folgt die Parkzeit, und oder es findet eine Bewegungsaktivität für eine Teilgruppe im Bewegungsraum statt. Oftmals hat in dieser Zeit auch das Atelier geöffnet und bietet Raum zum kreativen Ausdruck.
Das Mittagessen wird täglich frisch zubereitet und in immer wieder neu gemischten Gruppen in den verschiedenen Gruppenräumen zu sich genommen. Markiert wird die Gruppeneinteilung für das Mittagessen mit magnetischen Bildern der Kinder, des Personals und der Gruppenräume. So wissen die Kinder in welchem Raum und bei welcher Pädagogin / welchem Pädagogen sie essen werden und begeben sich selbstständig dorthin. Am Nachmittag werden nun auch Materialien zur Verfügung gestellt, die keinen konkreten Bezug zur Montessoripädagogik haben. Hier wird dann beispielsweise auch gepuzzelt, Tisch- und Gemeinschaftsspiele gespielt, oder es kommen Spielzeugfahrzeuge, Materialien für das Rollenspiel wie z. B. ein Kinderteeservice mit Ausstattung, Ritterburgen oder Holzfahrbahnen zum Einsatz. Beendet wird der Nachmittag mit der Hofzeit, bei der erneut Spielmaterial für den Außenbereich zur Verfügung gestellt wird.
Kennenlernen des Konzepts - Material
Wie ich es auch schon im ersten Austausch mit meiner Anleitung beschrieben habe, fand ich die Auseinandersetzung mit den Materialien zunächst etwas beängstigend. Mich überkam ein so unwohles Gefühl, nicht vertraut genug mit den Materialien zu sein. Die Kinder waren mir viele Schritte voraus und zunächst betrachtete ich sie erst einmal viel in ihrem Tun. Diese Sorge legte sich jedoch sehr bald, da mir entweder die Kinder selbst ganz stolz gezeigt haben, wie eine Arbeit funktioniert oder ich die Informationen von den Kolleginnen erhalten habe. Oft war es auch spannend mir gedanklich bestimmte Vorgehensweisen selbst zu erschließen und im Anschluss erst nach genauer Information zu fragen. Das empfand ich auch sehr positiv am Material, dass man sich den Ablauf größtenteils selbst erschließen konnte und dass er viel Raum zur Eigenkontrolle und somit auch zur Selbsterkenntnis bietet. Man spricht bei der Anwendung des Materials von sogenannten „Darbietungen“. Diese Darbietungen erfolgen meistens gleich oder in ähnlichen Variationen. Oftmals ist für einen Lerngegenstand mehr als eine Darbietung vorgesehen. Man unterscheidet allerdings in der Montessorimaterial wird in unterschiedliche Materialgruppen unterteilt: Übungen des praktischen Lebens, Arithmetik und Geometrie, Sprache und Schrift, Sinnesmaterialien, Musik, Naturwissenschaften und Kunst.
Die Übungen des praktischen Erlebens umfassen Arbeiten wie Prickeln, Schneiden, Falten aber auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten sind hier ein großer Aspekt, wie zum Beispiel: Wäsche waschen, aufhängen, Fenster putzen, Hände sorgfältig mit Seife waschen, abtrocknen, eincremen etc. Hierbei werden sogenannte Alltagskompetenzen gefördert.
Zum anderen ist das Spektrum an Sinnesmaterialien sehr groß. Es ist auch ein sehr verbreitetes, wenn nicht sogar das bekannteste Erkennungsmerkmal der Pädagogik nach Montessori und das, was ich mir unter dem Begriff „Montessoripädagogik“ größtenteils vorgestellt hatte. Die Sinnesmaterialien werden, wie der Name bereits verrät, zur Förderung der Sinne eingesetzt. Hier werden zum Beispiel Geräuschdosen zur auditiven Förderung mit verschiedenen Füllungen, was Material und Menge betrifft, befüllt. Im Anschluss werden aus den unterschiedlichen Dosen Paare durch selbstständige Versuche gebildet. Dasselbe Prinzip wird auch für die nasale beziehungsweise gustatorische Förderung anhand von Geruchdosen praktiziert. Hier bilden immer verschiedene Gerüche ein Paar. So lernt das Kind Gerüche zu unterscheiden und erfährt neue Düfte und Gewürze. Für die visuelle und motorische Förderung werden die allseits bekannten Bausteine und Bauklötze, Maria Montessoris rosa Turm, Farbplättchen, Perlen und so weiter eingesetzt. Hier wird sehr auf eine ordentliche Ausführung geachtet. So erlangt das Kind auch Kompetenzen im Bereich der ästhetischen Bildung.
Im Buchstabenraum werden hauptsächlich Materialien zur Sprachförderung angeboten:
Hier im großen Raum wird eine Auswahl an Übungen des praktischen Erlebens und dem Sinnesmaterial geboten:
Im Zahlenraum geht es überwiegend um das Kennenlernen der Welt der Mathematik:
Hier wird vom Zahlen zeichnen bis hin zu ersten Ansätzen der Division eine große Bandbreite geboten.
Im Atelier finden all die gestalterischen, kreativen Prozesse statt. Dies bezieht sich auch auf handwerkliche Arbeit wie z. B. Sägen, Hobeln, Hämmern, Konstruieren:
Meine Rolle als Praktikantin in den unterschiedlichen Bereichen
In meiner Rolle als Praktikantin versuchte ich mich vielseitig in den Alltag der Kinder miteinzubringen und so viele Eindrücke und Erfahrungen wie möglich zu sammeln. Das Fachpersonal ist mir hierbei absolut zuvorkommend und hilfsbereit entgegengekommen und ließ keine meiner Fragen unbeantwortet.
Ich bekam die Möglichkeit, bei einer Bewegungsstunde von jeweils einer Pädagogin/einem Pädagogen eines Kreises dabei zu sein. Es war sehr interessant, die unterschiedlichen Ausführungen der jeweiligen anderen Pädagogen zur Kenntnis zu nehmen und sich die ein oder andere Ausführung für die eigene spätere Praxis zu merken.
Vor allem erstaunlich fand ich die Sportgeräte, welche nach der Pädagogik von Elfriede Hengstenberg und András Petö konstruiert worden sind und in ihrer Verwendung sehr vielseitig genutzt werden:
Doch auch faszinierend fand ich das Einbringen von Alltagsgegenständen in Bewegungsstunden. Somit wurden zum Beispiel bei einer Bewegungsstunde auch einmal bunte Spülschwämme verwendet.
Auch an Geburtstagen der Kinder wurde mir des Öfteren eine Teilhabe ermöglicht. Diese fanden ebenfalls im Bewegungsraum statt. Begleitet durch wundervolle Rituale wie singen, gemeinsames Erzählen der bereits erlebten Erfahrungen im Kinder- und Elternhaus, und das Überreichen eines Kuchens und eines Geschenks. Hier waren auch Elternteile herzlichst eingeladen, mit zu feiern. Dies signalisierte, eine so tolle Elternzusammenarbeit und eine starke Verbundenheit zwischen den Kindern, den Pädagogen/Pädagoginnen und den Eltern. Ich genoss die angenehme Stimmung, den Zusammenhalt der Gruppe, den persönlichen Einblick in deren bisherige Erfahrungen und das Kennenlernen der Elternteile.
Der Kreis mit den ältesten Kindern verbringt für gewöhnlich jeden Mittwoch im Wald. Leider hatte es sich für mich nicht mehr ergeben, diese Erfahrung mitzuerleben. Grund dafür, war die geringe Anzahl an Kindern im Haus. In diesem Zeitraum sind die Coronainfektionszahlen erneut hoch angestiegen.
Auch das Lichterfest (St. Martin) konnte aufgrund angestiegener Coronazahlen nur im kleinen Kreis stattfinden. Bei dem Laternenfest des kleinen Hauses (den Krippenkindern) durfte ich dabei sein und unterstütze die Gruppe, wo es möglich war.
Zu meinen Aufgaben gehörten außerdem, das Ausgeben des Mittagessens im täglich unterschiedlich eingeteilten Raum. Mir gefiel das Konzept mit den Bildkarten sehr und vor allem die Kinder hatten so eine gute Routine verinnerlicht.
An einem Tag pro Woche, war meine Dienstzeit so gelegt, dass ich mit verantwortlich für den Schlussdienst war. Dieser stellte täglich sicher, dass die vorbereitende Umgebung am nächsten Tag erneut für das Kind bereitliegt.
Kulturprogramm und Resümee
Für gewöhnlich bin ich ein Mensch, der sehr gerne Dinge allein unternimmt. Dessen war ich mir natürlich bewusst, als ich mich dazu entschieden habe drei Wochen allein in Wien zu verbringen. Jedoch wusste ich, dass ich aus meiner Komfortzone treten müsste, um mich in einer komplett neuen Großstadt zurechtzufinden.
Meine anfänglichen Sorgen was Sicherheit, Einsamkeit, Verkehrsanbindungen und Orientierung betrifft, waren absolut unbegründet.
Ich selbst habe die Teile der Stadt, in der ich mich aufgehalten habe, als sehr sicher empfunden und habe viele neue Menschen kennengelernt. An die öffentlichen Verkehrsmittel habe ich mich schnell gewöhnt und erreichte damit jeden Ort auf meiner To-do-Liste.
Matthias Elsner, ebenfalls ein Schüler der Fachakademie Neustadt, der derzeit dort sein Berufspraktikum verbringt, stand mir bei Fragen zur Seite und nahm sich des Öfteren Zeit, mir ihm bereits bekannte Stadtteile zu zeigen.
Wien ist eine tolle Stadt und hat an Kultur extrem viel zu bieten.
Hier bin ich gerade am Schönbrunner Schloss kurz vor dem Sonnenuntergang:
Auch beim Schloss Belvedere legte ich einen Halt ein und verbrachte Zeit auf dem für mich ersten Weihnachtsmarkt des Jahres. Im Anschluss ging es für mich in das Belvedere Museum.
Einer der Sonntage vertrieb ich mir am Naschmarkt. Der war zwar von Menschen nur so überfüllt, jedoch war es interessant zu sehen, wie viele unterschiedliche Köstlichkeiten aus verschiedensten Kulturen angeboten wurden.
Dem Hundertwasserhaus stattete ich mehr als nur einen Besuch ab. Das mag am gutem Kaffee und den freundlichen Besitzern des Kunstcafés liegen.
Ansonsten probierte ich viele Empfehlungen wie das Time-Travel-Vienna, das Dachboden Café am Museumsquartier, besuchte die Nationalbibliothek, den Wiener Prater und natürlich auch die Shoppingstraßen und unzählige Restaurants.
Abschließend kann ich sagen, dass ich unendlich froh bin, mich für einen Austausch mit dem Erasmus Programm entschieden zu haben und eine so außergewöhnlich tolle Einrichtung kennenlernen durfte. Meine Erfahrungen dort werden mich noch lange begleiten und ich werde diese lehrreiche Zeit gut in Erinnerung bewahren.
Antonia F. (FakS2b) aus Wien